Forschungsstelle Jeremias Gotthelf

2020

Dezember 2020

Im Dezember 2020 ist der Textband C.1.1, "Bilder und Sagen aus der Schweiz", erschienen, welcher die gedruckte Erstausgabe dieser bekannten Erzählsammlung wiedergibt, welche u.a. die bekannten historischen Novellen "Die schwarze Spinne", "Der letzte Thorberger" und "Die Gründung Burgdorfs" enthält. Als Besonderheit gibt der Band der Roman "Geld und Geist" erstmals wieder in seiner ursprünglichen Form als Fortsetzungsroman in drei Teilen wieder. Gotthelf hatte den Roman offenbar auf Drängen der Leser*innen jeweils um einen weiteren Teil erweitert. Insbesondere der erste Teil könnte entsprechend auch als eine in sich abgeschlossene Novelle gelesen werden.

Oktober 2020

Jeremias Gotthelf und die soziale Frage. – Die soziale Frage war für den Berner Pfarrer Albert Bitzius (Jeremias Gotthelf) Teil eines tiefgreifenden religiösen Problems. Er war überzeugt, dass die Not von einer Gesellschaft erzeugt wurde, die sich nicht mehr auf christliche Grundsätze berief. Im Unterschied zu anderen kirchlichen Bestrebungen ging es ihm aber nicht um die „Rechristianisierung“ der vermeintlich moralisch und sittlich verkommenen Armen und die Restauration der Sozialordnung. Vielmehr stand er in engem Kontakt mit der neuen Reformpädagogik und beeinflusste mit seinem Heim für Verdingkinder auch Friedrich Fröbel, den Begründer des Kindergartens. Die fortschrittsgläubigen Radikalliberalen, welche die Lösung der sozialen Probleme in einem zentralisierten, wertneutralen und religiös indifferenten Staat sahen, erkannten dies nicht und sahen in ihm nur den konservativen Reaktionär und Heimatdichter. 

Lukas Künzler, Kommentator bei der historisch-kritischen Gesamtausgabe, schlägt in seiner Analyse von "Die Armennoth" und "Käthi, die Großmutter" eine andere Lesart der sozialethischen Schriften Gotthelfs vor und zeigt, dass dieser in seinem Werk unmittelbarer auf die epochalen Herausforderungen seiner Zeit reagierte als bislang angenommen. Die durch Armut und Hunger bewirkte Gärung in den Unterschichten reflektierte er ebenso deutlich wie die frühsozialistischen Theoretiker, die in der revolutionären Umwälzung aller politisch-ökonomischen Verhältnisse den Weg zu gerechten sozialen Zuständen sahen.
Gerade in unserer Zeit, die mit der Migration und dem Klimawandel wieder vor der Wertefrage steht, gewinnt Gotthelfs Werk neue Bedeutung und Aktualität.

April 2020

Seit einigen Wochen schon findet der Unterricht an der Berner Universität nur noch digital statt: Vorlesungen, denen Studierende im Hörsaal folgen konnten, werden nun nicht selten als Heimproduktionen im Wohn-, Ess- oder Arbeitszimmer der Dozierenden aufgenommen. So ist es auch mit der Vorlesung „Novellenanthropologie“, die PD Dr. Christian von Zimmermann vor Studierenden der Literaturwissenschaft hält. Digitale Formate können den direkten Kontakt mit den Studierenden nicht ersetzen. Darum hat sich der Dozent für die Studierenden in dieser Woche etwas Besonderes überlegt: Die Vorlesungssitzung über Jeremias Gotthelfs „Die schwarze Spinne“ sollte an jenem Ort gehalten werden, an dem die bekannte Novelle geschrieben worden ist. Das Gotthelf-Zentrum hat zu diesem Zweck für einen einzelnen Besucher seine Tür geöffnet. In unterschiedlichen Räumen des Zentrums hat Christian von Zimmermann seine Vorlesung gehalten und für die Studierenden als Video festgehalten. 

März 2020

Der kleine Gelbe zur grossen Roten: Gotthelf-Wortfächer erschienen. – Im vergangenen Jahr ist in Zusammenarbeit mit dem Berner Verlag vatter&vatter eine kleine, feine Publikation der ganz besonderen Art entstanden: ein Wortfächer mit 55 Wörtern aus Gotthelfs Werken (Redaktion: Barbara Berger, FJG; Projektleitung und Lektorat: Annina Schneller, vatter&vatter). Die oft mundartlichen „Einsprengsel“ sind jeweils mit einer Übersetzung versehen und in Textstellen eingebettet, die Einblick geben in Gotthelfs vielgestaltige Werke. Von einer Predigt über das Schützenmanifest hin zu Kalendertexten, Erzählungen, Romanen und privaten Briefen sind Werke aus dem grossen Wirkungskreis von Albert Bitzius alias Jeremias Gotthelf versammelt. Im Kleinstformat bietet der Wortfächer Kostproben, die Sie gleichermassen „unterhalten und belehren“ und die Sie einladen, neue alte oder alte neue Wörter zu entdecken und ins Gespräch zu kommen über einen, der sich mit scharfer und lustiger Feder an „Gewissen“ wandte, „welche gutmüthige Wahrhaftigkeit vertragen können“. 
Jeremias Gotthelf: Einsprengsel. Hrsg. von der Forschungsstelle Jeremias Gotthelf. Bern: vatter&vatter 2020 (wortfächer Autorinnen und Autoren).

März 2020

Patricia Zihlmann: Kommentierung in gedruckten und digitalen Briefausgaben. In: Beihefte zu editio 47 (2020), S. 159–174. – Anhand ausgewählter gedruckter und digitaler Briefeditionen untersucht Patricia Zihlmann in ihrem Aufsatz die durch den Medienwechsel hervorgerufenen Veränderungen in der Kommentierung. Auswirkungen lassen sich sowohl auf der Präsentations- als auch auf einer inhaltlichen Ebene ausmachen. Insbesondere die Ersetzung einer umfassenden, auf eine konkrete Stelle zugeschnittenen Kommentierung durch standardisierte Verlinkungen mit externen Ressourcen werden dabei durchaus kritisch bewertet.